Dienstag, 12. November 2024

Barbara Newhall Follett und Jackie Morris: Die Welt ohne Fenster

 Keine Ahnung, warum ich den DIANA-Verlag bisher immer mit Groschenromanen in Verbindung gebracht habe. Jetzt wurde ich eines Besseren belehrt.

Die Autorin Barbara Newhall Follett war erst zwölf Jahre jung, als sie dieses Buch schrieb. Noch bevor sie es weitergeben konnte, brannte das Haus und das Manuskript war unwiederbringlich zerstört. Aus dem Gedächtnis schrieb sie das Manuskript Wort für Wort noch einmal. Mit Hilfe des Vaters fand sich sofort ein Verlag, der gleich 2500 Exemplare druckte.

Was für eine Wiederentdeckung. Ich wünsche dem Buch ganz viele Leserinnen*.

Barbara Newhall Follet wurde 1914 geboren und galt als Wunderkind. Berichten zufolge verlief ihre Ehe unglücklich. 1939, kurz vor Weihnachten, ist sie 25. Mit nur 30 Dollar in der Tasche verlässt sie abends das Haus und wird nie wieder gesehen. Das Geheimnis um ihr Verschwinden ist bis heute nicht gelüftet.

Klappentext

Die junge Eepersip möchte nicht in einem Haus mit Türen, Fenstern und einem Dach leben. Ihr Herz verlangt nach dem Duft von Erde, nach dem Wind, der durch Baumkronen bläst, nach dem beständigen Summen und Brummen von Insekten. Sie läuft davon, um in der Wildnis zu leben – zuerst auf einer Waldwiese, dann am Meer, und schließlich in den Bergen. Ihre Eltern sind zutiefst betrübt. Sie folgen ihr, bringen sie zurück in die vermeintliche Sicherheit und sperren sie in der erdrückenden Stille des Hauses ein. Doch Eepersip lässt sich nicht aufhalten: Sie entkommt ein zweites Mal und folgt ihrem wilden Herzen nach draußen, ganz weit weg.


Buchbeginn

Die Wiese

Die Blumen sind verblüht,

die Schmetterlingsflügel sind müde,

und in der Ferne erklingt der Gesang des ewigen Meeres.

In einem kleinen braunen Schindelhäuschen am Fuße des Mount Varcrobis wohnte ein Mädchen namens Eepersip mit ihrem Vater und ihrer Mutter, Mr. und Mrs. Eigleen. Eepersip war ziemlich einsam. Sie bat Mr. und Mrs. Eigleen immer wieder, einen wunderschönen Garten anzulegen, der Jahr für Jahr herrliche Blumen hervorbrachte und die Vögel und die Schmetterlinge anlockte. Also machten sich alle drei voller Eifer an die Arbeit, und innerhalb von wenigen Jahren hatten sie den schönsten Garten erschaffen, den es je gegeben hatte. An seinen Rändern blühten Apfelbäume, Birnbäume und Pfirsichbäume, und dazwischen prunkten Azaleen, Rhododendren, Magnolien, Flieder, Geißblatt und Feuerblüten. Aber das war noch nicht alles...

Elizabeth Jolley: Der Mann im Brunnen

Buchinfo

Die alte Jungfer Hester Harper und die lebenslustige junge Katherine leben völlig zurückgezogen auf einer kleinen Farm im australischen Outback. Eines Tages nimmt ihr einsames und eintöniges Leben eine tragische Wendung: Katherine fährt auf dem Heimweg von einer Feier einen Mann an, den Hester in einem alten Brunnen in der Nähe verschwinden läßt.

Doch vieles bleibt im dunklen: Ist es wirklich der Körper eines Menschen? Lebt er gar noch? Oder ist er tatsächlich tot? Immer wieder hört Katherine die Stimme eines Mannes im Brunnen. Oder leidet sie durch die Abgeschiedenheit von der Welt gar an Halluzinationen? Jahrelang aufgestaute Konflikte, Phantasien und Bedürfnisse drängen plötzlich mit aller Macht an die Oberfläche.

Mit Hester Harper ist Elizabeth Jolley eine Figur gelungen, die eine Mischung aus Leidenschaft und Frigidität ist und die die Verlorenheit eines einsamen Frauenlebens zwischen Realität und Traum meisterhaft zum Ausdruck bringt.


Buchbeginn

"Was hast du mir gebracht, Hester? Was hast du mir aus dem Laden mitgebracht?"

"Ich hab' Katherine gebracht, Vater", antwortete Miss Harper. "Ich hab' Katherine gebracht, aber sie ist für mich."


Zitat

"Was Hester an Katherine so besonders schätzte, war die Art, wie sie mit beiden Händen nach dem Leben griff. Sie wollte das Leben genau so, wie sie es in Filmen sah, sie wollte das Abenteuer, und Hester wurde in diesen Sog mit hineingezogen. Diese Lebensgier nahm verschiedene Formen an, darunter auch die, alles haben zu wollen, was für Geld zu haben war. Überall in Magazinen, vor allem aber im Kino, erfuhr Katherine aus der Werbung, daß sie nur dies oder jenes brauchte, um vollkommen glücklich zu sein. Auch Hester ließ der gesunde Menschenverstand dann oft im Stich, und sie ließ sich einfach mitreißen."

 

Marian Engel: Bär

Buchinfo

Seit fünf Jahren arbeitet Lou in einem Archiv, vergraben wie ein Maulwurf zwischen vergilbten Papieren und staubigen Akten. Als sie den Auftrag erhält, in einem verlassenen Haus auf einer Flussinsel den Nachlass eines Colonels aus dem 19. Jahrhundert zu katalogisieren, stürzt sie sich voller Begeisterung in die neue Aufgabe. 

Dass dazu auch das Füttern eines Bären gehört, damit hat sie allerdings nicht gerechnet. Aber der erste Schreck weicht bald einer unerklärlichen Faszination und Zuneigung zu dem halb zahmen Bären, bis der Bär und die Bärenlegenden, die die Familie des Colonels gesammelt hatte, ihre Fantasie vollkommen beherrschen. Einen Sommer lang erforscht Lou die Grenzen ihrer Lust und ihrer eigenen Leidenschaften.


Buchbeginn

Im Winter lebt sie wie ein Maulwurf, tief vergraben in ihren Papieren und wählte zwischen Karten und Manuskripten. Sie wohnte nicht weit von ihrem Büro und erledigte ihre Einkäufe auf dem Weg zum Institut, eilte hastig, ohne Zeit zu verlieren, durch den Schlauch des Winters von Zufluchtsort zu Zufluchtsort. Sie mochte die kalte Luft auf ihrer Haut nicht.

Ihr Zimmer im Keller des Instituts lag dicht bei den Heizungsrohren und war schützend gesäumt von Büchern, hölzernen Aktenschränken und uralten, vergilbten, gerahmten Fotografien von Menschen und Orten, die man dort nicht erwartet hätte. General Booth und die Heimatstadt von irgendjemandes Großmutter, Frankreich aus der Luft im Jahr 1915, Gruppenbilder von Sportlern und Frontsoldaten; Dinge, die Leute ihr brachten, weil sie nichts zurückwies, weil es ihr Beruf war, alles aufzubewahren.

 

Sonntag, 10. November 2024

Flora Nwapa: Efuru

Die nigerianische Schriftstellerin Flora Nwapa (13.1.1931 - 16.10.1993) gilt als „Mutter der modernen afrikanischen Literatur". Ihr Debütroman "Efuru" (1966), der auf Englisch publiziert wurde, gewann als erstes literarisches Werk einer Westafrikanerin internationale Anerkennung. "Nwapa lehnte es ab, sich als Feministin zu bezeichnen, sondern bezog sich auf den ursprünglich von Alice Walker geprägten Begriff womanism, ein Konzept, das Unterdrückungsverhältnisse in einem afroamerikanischen und afrikanischen Kontext reflektiert und Kolonialismus miteinbezieht. Sie verband eine kritische weibliche Perspektive mit den Kulturtraditionen des Igbo-Volkes, dem sie angehörte." - Wikipedia


Efuru

Buchinfo

Efuru, eine Frau in einer traditionellen, noch weitgehend intakten afrikanischen Gesellschaft, flieht aus ihrem Elternhaus, um zu heiraten. Der Vater verschwindet jedoch eines Tages und läßt sie mit ihrer Tochter allein. In ihrer zweiten, anfangs glücklichen Ehe geht es Efuru nicht besser. Der Grund: sie wird nicht schwanger und schlägt ihrem Mann vor, eine Zweitfrau zu nehmen...

 

Samstag, 9. November 2024

Toni Schwabe: Die Hochzeit der Esther Franzenius

Toni Schwabes (31.3.1877 - 17.10.1951) Frühwerk machte sie ab 1900 zur „ersten bekannten und bekennenden lesbischen Schriftstellerin der deutschen Literatur“. Durch die Weltwirtschaftskrise fand sie kein Auskommen mehr als Schriftstellerin; 1951 starb sie verarmt und vergessen. Ab den 1990er-Jahren wurde sie erst wiederentdeckt.

Ihr Roman "Die Hochzeit der Esther Franzenius" wurde 2013 in die Reihe "Literatinnen um 1900" im Igel Verlag aufgenommen. Anscheinend wird die Reihe nicht fortgefügt, denn der bisher letzte 9. Band stammt von 2017.

Buchinfo
Dieser Band bereichert die Reihe „Literatinnen um 1900“ um eine weitere interessante Facette: Toni Schwabe (1877–1951) positioniert sich mit ihrem Erstlingsroman als lesbische Autorin avant la lettre. Erschienen 1902, berührte er lange vor der Etablierung des Sujets in den 20er Jahren behutsam das Thema weiblicher Homoerotik. Thomas Mann bedachte den Roman in einer Hymne auf das „Ewig Weibliche“ mit größtem Wohlwollen, die Forschung brachte ihn als Prätext mit Tonio Kröger in Zusammenhang. Von Ausbruchswünschen und Entdeckungslust getrieben, begibt sich die Protagonistin Esther Franzenius auf eine Reise, die zu einer verzweifelten Suche nach einem individuellen Lebensentwurf, nach künstlerischer Selbstfindung und erotischer Identität wird. Wie bei den meisten Schriftstellerinnen ihrer Zeit, bestimmten bei Toni Schwabe weibliche Emanzipationsbestrebungen und das Ringen um künstlerische Ausdrucksformen und Produktivität auch die eigene Biographie: Sie war Gründerin eines Verlags und einer Zeitschrift, als Übersetzerin und Herausgeberin tätig und stand u.a. mit Sophie Hochstetter, Frieda von Bülow und Magnus Hirschfeld in Kontakt. Ungeachtet jeder gesellschaftlichen Konvention lebte Toni Schwabe ihre Liebe zu Frauen in verschiedenen Beziehungen und thematisierte dies vor allem in ihrer Lyrik auch sehr deutlich.



 

Helga Schubert: Lauter Leben

Lauter Leben, nichts als Leben verspricht dieser Band - und lauter Leben begegnet Ihnen in den Geschichten, Leben, das Sie kennen und das doch neu für Sie ist. Sie können lachen und werden nachdenklich, wenn Helga Schubert von alleinstehenden Freundinnen erzählt, die so allein gar nicht stehen, von einem späten Mädchen, das unverhofft einen Mann findet, "weil sie einmal war wie vorher noch nie", von der Polin Anna, die nicht allzu genau ist, "mehr so, wie es Spaß macht", und Anna kann Deutsch, damit hat es seine eigene Bewandtnis.

Vielleicht geht bei Ihnen auch alles drunter und drüber, weil das Kind einen Hund will, gewiß waren auch Sie schon auf einer schönen Reise am südlichen Meer oder Teilnehmer jener großen Tagungen, die alljährlich in landschaftlich reizvollen Gegenden stattfinden. Doch haben Sie schon einmal eine Töpferin in ihrer Wohnung besucht und die Geschichte einer Figur erfahren? Oder zugehört, wie ein alter Mann, der seinen Schimmel malen ließ, sein Leben erzählt?


Lauter Leben - selbst wenn vom Friedhof die Rede ist. Mit Anteilnahme und Gespür erzählt Helga Schubert Lebensgeschichten und davon, was alles an einem Tag passieren kann.


Buchbeginn

Meine alleinstehenden Freundinnen kann man unangemeldet besuchen. Meistens ist schon jemand da. Man kann zu ihnen jemand mitbringen. Meine alleinstehenden Freundinnen kommen nie unangemeldet, und wenn sie vorher von der Ecke anrufen. Sie wollen, daß man dann allein ist. Sie bringen niemand mit.

Meine alleinstehenden Freundinnen wohnen in Altbauwohnungen. Entweder im vierten Stock oder zu ebener Erde in einem Laden. Sie sagen, daß sie nicht jeden Dienstag auf dem Wohnungsamt sitzen wollen. Aber in Wirklichkeit wollen sie keine Neubauwohnung. Ihre Wohnungen sind nämlich unverwechselbar...


Zitat

Meine alleinstehenden Freundinnen wohnen in Altbauwohnungen. Entweder im vierten Stock oder zu ebener Erde in einem Laden. Sie sagen, daß sie nicht jeden Dienstag auf dem Wohnungsamt sitzen wollen. Aber in Wirklichkeit wollen sie keine Neubauwohnung. Ihre Wohnungen sind nämlich unverwechselbar.


Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 3. Auflage 1981
Edition Neue Texte

 

Sonntag, 3. November 2024

Shirley Jackson: Spuk in Hill House

Buchinfo

Vier Menschen betreten die alte Villa, die als Hill House bekannt ist. Sie wollen die übernatürlichen Phänomene untersuchen, die sich angeblich darin ereignen.

Die vier werden etwas Böses erleben, das sich ihrer Kontrolle und ihrem Verstand entzieht. Sie können unmöglich wissen, dass sie von dem Haus selbst angelockt wurden und welche bösen Pläne es verfolgt.


Buchbeginn

Kein lebender Organismus wird lange gedeihen, wenn er sich immer nur in der reinen Wirklichkeit aufhalten muss. Sogar Lerchen und Heuschrecken wird von manchen nachgesagt, dass sie träumen. Hill House war nicht normal. Es stand für sich allein vor seinen Hügeln und barg im Innern die Dunkelheit. So stand es schon seit 80 Jahren und würde weitere 80 Jahre so weiterbestehen. 

Zitate

Und hier soll ich schlafen, dachte Eleanor ungläubig. Was für Albträume lauerten da wohl im Schatten dieser hohen Zimmerdecken - welcher Lufthauch besinnungsloser Angst wird über meinen Mund schweben...?